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Gott dienen, ohne Belohnung zu erwarten

Diese Woche feierte das jüdische Volk auf der ganzen Welt das Pessachfest. Es ist das Fest zur Erinnerung an das Ereignis, das die Kinder Israels vereinigt hat, die fast 430 Jahre in Ägypten waren. Dieses Ereignis ist der Auszug der Kinder Israels aus Ägypten, angeführt von Moses (Mosche). Der Auszug aus der Knechtschaft in die Freiheit (etwa 1270 vor der Zeitrechnung). Er markiert das Entstehen des israelischen Volkes. Mit der Offenbarung am Berg Sinai bekam das Volk die Torah, die Bücher Moses. Die Gabe der Torah machte den Auszug zu einer besonderen Befreiungsbewegung in der Geschichte der Menschheit. Auch wir in Marburg haben vor einer Woche den Beginn des siebentägigen Festes gefeiert – mit dem Vorlesen der Geschichte vom Auszug aus Ägypten, die wir Haggada nennen, mit dem Halten der Gebote dieses Festes und dem Essen von Mazzoth (ungesäuertes Brot). Und an diesem Fest kommt man nicht umhin, über die Offenbarung der Torah nachzudenken und sich mit der Bedeutung, die das Lernen der Torah für das Leben des Volkes Israel hat, zu beschäftigen. Denn dieses Lernen war und ist noch immer der Faktor, der das Volk zusammenhält. Das Lernen der Torah läßt einen die Bedeutung des Glaubens in der jüdischen Religion verstehen. Die tiefere Bedeutung der Offenbarung am Berg Sinai liegt darin, daß die Torah dem ganzen Volk Israel gegeben wurde und nicht einem erlesenen Teil des Volkes. Jeder einzelne im Volk hat immer gewußt, daß die Torah zu ihm gehört, wie zu jedem anderen auch. Und seine Aufgabe ist es, sich mit ihr zu beschäftigen, sie zu lernen und nach ihr zu leben. Das Vorlesen der Bücher Moses begann in den Tagen Esras im Jahr 440 vor der Zeitrechnung und es ist bis heute ein zentraler Bestandteil in der jüdischen Gebetsordnung. Seit der Tempelzerstörung (70 nach der Zeitrechnung) liest man zusätzlich noch einen Abschnitt aus den Büchern der Propheten. Und die Psalmen sind bei jeder Veranstaltung, sei es das tägliche Gebet, der Schabbatgottesdienst oder ein Fest, unser „täglich Brot“. Natürlich beziehe ich mich hier auch auf die mündliche Torah – die Mischna und den Talmud. Sie wird im Judentum „Halacha“ genannt und ist die Grundlage jüdischen Lebens. Daher ist es verständlich, daß jedes Kind die Geschichte des Volkes kennt, die Bedeutung jedes Feiertages und die tiefen Wurzeln dieser Religion, und natürlich hat der Glaube in seinem Leben ein besonderes Gewicht. Bei meinen Begegnungen hier in Deutschland war ich oft erstaunt, wie gering die Kenntnis und das Verständnis von Religion insgesamt und auch von den historischen Quellen des hier herrschenden Glaubens sind. Und von daher muß man sich nicht beklagen, daß die oberflächliche Kenntnis zu oberflächlichem Glauben führt und zum Mißverständnis des Nächsten, seiner Denkweise und seiner Bedürfnisse. Bisher haben wir keine formale Definition des Begriffs „Glauben“ – und vielleicht werden wir nie eine haben. Weder den Gläubigen selbst, noch Gelehrten oder Forschern, Theologen, Philosophen, Soziologen oder Psychologen ist es gelungen, eine einheitliche Formulierung zu finden, die den religiösen Glauben und seine verschiedenen Inhalte umfaßt. Wir, die Gläubigen, nehmen an, daß wir uns der Tatsache, daß wir vor Gott stehen, voll bewußt sind. Im Gebet von Jom Kippur heißt es: „Du hast den Menschen von Anbeginn unterschieden und ihn bestimmt vor dir zu stehen.“ Das Thema „Glauben“ ist sehr umfassend. Aber ich höre nicht auf, über die zwei Aspekte, die im Judentum in bezug auf den Glauben bestehen, nachzudenken:

1. Ein Mensch steht vor Gott und denkt an die Beziehung Gottes zu ihm. Er denkt an das, was er von Gott erwartet, an seine Belohnung, die er für seinen Dienst bekommt und an seine Strafe, die er für das Unterlassen dieses Dienstes bekommt.

2. Ein Mensch steht vor seinem Gott und weiß um die Beziehung von sich zu Gott, um seine Verpflichtungen im Denken und in Taten.

Die „Belohnung“ ist der Dienst an sich (und kein anderer) und die „Strafe“ ist, daß der Mensch von seinem Gott abgeschnitten ist (und keine andere). Dies ist ein anderes Niveau des Glaubens. Mein ganzer Wille ist es, zu den letzteren zu gehören, Gott zu dienen, ohne irgendeine Erwartung auf Belohnung.

Amnon Orbach


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