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Trage nicht auf ewig Unrecht mit dir!

Eine Auslegung der Beziehungen und Probleme zwischen den beiden Brüdern Jakob und Esau.

Ein Teil des Wochenabschnitt aus der Torah, der an diesem Samstag in allen Synagogen gelesen wird (1. Mose 32-33), behandelt ein Thema, mit dem sich jüdische Ausleger seit Generationen beschäftigen. Zwischen zwei Brüdern, den Zwillingen Jakob und Esau, herrscht seit über 20 Jahren tiefer Haß. Endlich entschließen sie sich, die entscheidenden Schritte zur Versöhnung zu machen. Der Weg vom Willen zur Versöhnung, über die genaue Planung des Zusammentreffens, bis zu dem Treffen selbst, ist eine phantastische Geschichte. Auch wenn sie vor 3000 Jahren geschah, ist sie gerade jetzt besonders aktuell und ich sehe große Ähnlichkeit zu dem, was in diesen Tagen in dem gleichen Land Israel geschieht. Die zwei Brüder, Junggesellen, lebten bei ihren Eltern, Isaak und Rebecca. Esau der Erstgeborene war „ein jagdkundiger Mann, ein Mann des Feldes“ und sein Vater Isaak hatte ihn lieb. Und Jakob der Zweitgeborene war „ein gesitteter Mann und blieb bei den Zelten“. Er wurde von seiner Mutter sehr geliebt. Der Streit zwischen den Brüdern begann, als Jakob seinen älteren Bruder Esau mit Hilfe der Ratschläge seiner taktisch denkenden Mutter zweimal in die Irre führte. Indem Jakob sich den großen Hunger seines Bruders Esau zunutze machte, kaufte er ihm, als Gegenwert für eine Portion Linsengericht, das Recht des Erstgeborenen am Erbe seines Vaters ab. Danach nutzte er die Blindheit seines Vaters Isaak aus, um auch den Segen, der für Esau gedacht war, zu stehlen. Das schaffte er durch eine Verkleidung, die seine Mutter ihm besorgt hatte. Unmittelbar danach floh er ins Ausland. Seither sind zwanzig Jahre vergangen und Jakob kehrt nach Israel zurück, reich an Familie und Besitz, an Vieh und Knechten und Mägden – fast schon der Anfang eines ganzen Volkes. Auch Esaus Stamm der Edomiter hat sich entwickelt und ist so groß geworden wie der seines Bruder. Wahrscheinlich war beiden klar, daß das Land zu klein ist, um mit dem Haß zwischen zwei Brüdern und zwei Stämmen zu leben. Ohne daß sie sich darüber verständigt hätten, hat jeder Bruder für sich entschieden, daß sie sich treffen müssen, um ihren Streit beizulegen. So gingen sie einander entgegen. In Jakob entdeckt man eine moralische und außergewöhnlich interessante Persönlichkeit. Die Ursache für die seelische Schwäche in der er sich befindet ist nicht schwer zu verstehen: sein Gewissen ist nicht rein. Was vor zwanzig Jahren geschah bedrückt sein Gewissen schon lange Zeit und er hat nicht die Kraft und den Mut seinem Bruder gegenüberzutreten. Von den Boten, die er zu Esau geschickt hat, um ein Treffen zu vereinbaren, erfährt er, daß sein Bruder schon mit 400 Menschen auf dem Weg zu ihm ist, und er weiß nicht, ob Esau gegen ihn kämpfen oder ihn ehren will. Jakob hat sich vorbereitet: er bringt ein gigantisches Geschenk von Herden aus seinem Besitz und er betet zu Gott, daß er auf seiner Seite sein und ihm helfen soll. Gleichzeitig bereitet er für seine vielen Begleiter einen möglichen Rückzug vor. Jakob ist zwar stark und er kann auch einen Kampf oder Krieg durchstehen, aber kann er mit seinem belasteten Gewissen seinen Bruder bekämpfen? Soll er noch eine Sünde zu seiner ersten hinzufügen? Es heißt (V. 8): „Da fürchtete sich Jakob sehr und ihm ward Angst.“ Warum wird die Angst Jakobs doppelt erwähnt? Eine Auslegung erklärt, daß Jakob zwei Arten von Ängsten hatte: Er hatte Angst getötet zu werden und er fürchtete sich, zu töten im Falle eines Kampfes. Diese Furcht ist keine Schwäche, sondern ein tiefer seelischer Prozeß in einem empfindsamen Menschen, der versucht Unrecht das er verursacht hat wieder gut zu machen. Dieses Unrecht liegt in seinem Bewußtsein tiefer als in Esaus. Wenn ein Mensch seinen Freund beleidigt, so erklären die Psychologen, ist es viel leichter für den Beleidigten zu vergessen oder zu verzeihen, als für den Beleidiger. Aber wenn der Beleidiger moralische Werte hat, liegt ihm sein Unrecht lange Zeit auf dem Gewissen, manchmal bis zu seinem Lebensende! Esau und Jakob treffen sich. Erfreulicherweise mit Umarmungen, Küssen und Weinen, aber auch nicht viel mehr als das. Beide Seiten haben sich gegenseitig kennengelernt, nach vielem Bitten war Esau bereit das Geschenk Jakobs zu akzeptieren, laut dem Text war es eine kurze Begegnung und nach dem Abschied trafen sie sich nie wieder. Ein schöner Kommentar macht auf folgende Stelle aufmerksam: Jakob bittet Esau: „So nimm doch meinen Segen, den ich dir bringe.“ Warum heißt es statt ‚Geschenk‘ ‚Segen‘? Der Ausleger sagt, es ist eine „Freudsche Fehlleistung“: für den Segen, den er Esau gestohlen hat, will Jakob wieder etwas gut machen. Und warum habe ich soviel Aktualität in diesem Thema gefunden? Zwei Völker leben in meinem Land, in Israel. Von ihrem Ursprung her Blutsverwandte, die nach hundert Jahren von Haß und Gewalt schon lange versuchen untereinander Frieden zu schaffen. Und Gott gebe, daß die beiden soviel Erfolg haben, wie die zwei Brüder von denen ich erzählt haben.


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